Riesling Vom roten Schiefer 2005 Weingut Clemens Busch
Verkostet im Februar 2011
Mit manchen Weingütern ist es zum Haare raufen. Na ja, in meinem Fall als Igel eher zum Stacheln raufen. Und wer mit den Stacheln rauft, muss vorsichtig sein, das gibt schnell mal Pfotenschaschlik. Hmm, irgendwie wird das mit dem Sprachbild nichts. Ich drücke mal reset.
Mit manchen Weingütern ist es zum Verzweifeln. Einmal produzieren sie einen köstlichen Tropfen, der meinen Geschmack voll ins Bullseye trifft, im Nachfolgejahr präsentiert sich derselbe Wein dann plötzlich ganz anders und gefällt mir gar nicht. Nicht wegen der Jahrgangstypizität, sondern weil sich der Ausbaustil geändert hat oder der Winzer wieder einmal ein wenig herumexperimentiert. Vor allem bei Biowinzern kommt das häufiger mal vor - die erziehen den Wein antiautoritär und freuen sich, wenn er jedes Jahr eine andere Kapriole schlägt. Ich war 1968 schon gegen die Antiautoritären und sie überzeugt mich heute noch nicht immer.
So ein wenig Terroir sollte im Riesling meines Vertrauens schon zum Ausdruck kommen und vielleicht so etwas wie ein roter Faden. Müllers Egon bringt das im Scharzhofberg ja auch recht fein zuwege.Ich weiß, ich weiß, ich bin schon wieder zu streng.
Aber da geht mit mir einfach ein wenig die Verzweiflung durch, dass sich mein Lieblingssaufwein von 2005 in den Folgejahren so anders präsentierte und sich meine Hoffnung, den Saufwein fürs Leben gefunden zu haben, dann doch enttäuscht hat. Wir reden von Clemens Busch, dem Überzeugungstäter aus Pünderich. Da hatte ich schon 2001 und 2002 ein Sortiment vorgefunden, das hochgradig begeisternd war.
Danach hat sich dann der Stil verändert - ich habe das Gefühl, Busch hat noch mehr auf Bio gesetzt, zugleich noch mehr aus den Weinen herauszuholen versucht. Mit dem Ergebnis, dass mireinige noch besser gefielen als vorher. Und andere deutlich weniger. Weil gerade bei den großen Lagenweinen manchmal ein eher sauterniger als rieslingtypischer Lösungsmittelton herauskam. Ein Ton, der beim Sauternes nach fünfzig Jahren langsam weggeht und dann - mit Glück - dahinter ein Universum von Fülle und Vielschichtigkeit eröffnet, das Alkohol und Lösungsmittelton bis dahin wunderbar konserviert und versteckt haben. Nur leider, mein Tierarzt gibt mir keine fünfzig Jahre mehr, ich kann nicht warten. Und weiß auch nicht, ob die Weine von Busch so lange halten. Deswegen kaufe ich heute nicht mehr so viele davon.
Einer allerdings war im Sortiment von 2005 dabei, einer von den kleinen, der hat es mir richtig angetan. Vom roten Schiefer heißt er, kostete damals so um die 9 Euro und ist über zwei, drei Jahre in einer Auflage von etwa 180 Flaschen in meinen Keller gewandert. Wohl der Wein, von dem ich in meinem Leben am meisten getrunken habe. Ich konnte einfach nicht genug davon kriegen. Weil er so herrlich elegant ganz ohne Pattexnoten zwischen Frucht und Mineralität dahintänzelte, weil Säure und Süße so perfekt balanciert waren, der Restzucker gerade mal einen Hauch höher als es ein trockener Wein noch haben dürfte. Und weil diese Eleganz dennoch nicht dazu führte, dass er sich in Leichtigkeit verlor, das Zeug hatte richtig Druck. Da die Nachfolgejahrgänge deutlich anders ausfielen - bei 2006 dem eher schwächeren Jahr absolut verständlich, bei 2007 dann doch eher verwunderlich - kaufte ich immer wieder den 2005er nach und blieb dem alten Freunde treu. Nach gut drei Jahren dann allerdings war er ein wenig durch“, verlor an Biss und Griffigkeit, wurde etwas müde. Aber ein paar Flaschen hatte ich mir noch auf die Seite gelegt, weil ich irgendwie die Hoffnung hatte, dass der Wein noch einmal kommen könnte. Und dem bin ich heute mal auf den Grund gegangen. Rieslingrodeo mit Cowboy Willi. Ich will wissen, was aus meinem Liebling geworden ist. Wo ist mein eleganter Tänzer geblieben, das kriege ich raus, zur Not im Verhör mit drittem Grad vor der 150 Watt-Lampe. Ääähhh, ach ja, 150 Watt, das ist mit den Energiesparfunzeln gar nicht so einfach. Na gut, also ganz normale Verkostung.
In der Nase sehr ausgeprägter überreifer Apfel. Dazu aber auch likörige pfirsichduftige Noten,noch immer geradezu krawallige Mineralität und ein karamelliger Hauch, der weniger an Botrytis als an die feine Firne einer sehr gereiften trockenen Auslese erinnert.
Am Gaumen ebenfalls sehr kräftig. Die etwas müdere Phase zwischendrin scheint er tatsächlich hinter sich gelassen zu haben. Oder nein, das ist nicht ganz präzise formuliert. Kurz nach dem Einschenken baut er tatsächlich etwas ab und scheint wieder in diese Müdigkeit zu verfallen. Doch dann kommt von irgendwo mit mehr Luft eine Art Frischzellendoping und er legt wieder zu. Ohne dass er wieder so geworden wäre wie zuvor, er kommt in der Anfangsphase erst mit karamelligem Apfel, ein wenig auf der bratapfeligen Seite, nach dem Zwischentief dann plötzlich mit noch recht saftig-frischer Birne, der Abgang wird rapide lebendiger, druckvoller und länger. Er wirkt nun zwar nicht mehr müde, aber irgendwie deutlich älter als er ist. Wie ein hochwertigerer Wein, der in Ehren gereift ist, eine halbtrockene Auslese vielleicht, die an die zwölf Jahre auf dem Buckel hat. Auch am Gaumen ist diese fast botrytische Honignote im Hintergrund präsent, die ihm gleichzeitig eine ordentliche Süße mit ins Gepäck gibt. Noch immer recht viel Druck am Zäpfchen. Aber die Balance zwischen Frucht und Mineralität scheint nicht mehr ganz so perfekt wie einst im Mai. Ja, ich muss es zugeben, er hat mir vor zwei Jahren dann doch noch besser gefallen. Damals war ich bei 89 bis 90 von 100 Willipunkten, heute muss er mit 86 bis 87 auskommen.
Dennoch ein Phänomen, ein Wein der über die Jahre immer wieder sein Gesicht verändert, auch im Glas über zwei, drei Stunden hinweg ein wilder Ritt über Höhen und Tiefen. Rieslingrodeo eben, da ziehe ich den Cowboyhut. P.S. Vor einer Woche habe ich den 2009er probiert, und der, ja der, na ja, kommt vielleicht wieder so ungefähr an den 2005-er heran. Vielleicht habe ich ja doch wieder meinen Saufwein?