Während die wichtigeren Politiker brav in Deutschland Urlaub machen und ebendort in sogenannten Sommerinterviews ihre Heimatverbundenheit in die Gummilinsen der öffentlich-verächtlichen Anstalten hineinheucheln, gehe ich im Dienste meiner Leser wieder einmal dorthin, wo die echte, die wahre Kultur noch zu finden ist: Nach Ägypten! Tal der Könige, Pyramiden von Giza, Abu Simbel, klangvolle Namen, die belegen, was der gemeine Ägypter architektonisch und künstlerisch so auf dem Kasten hat.
Manch einer mag denken, dass die Ägypter der Moderne an diese Erfolge nicht mehr anknüpfen können und das sympathische Entwicklungsland in letzter Zeit ganz schön den Bach bzw. den Nil runter gegangen ist, erst recht, seitdem Hosni Mubarak 1981 die Demokratie verboten und sich selbst zum Konsul auf Lebenszeit ernannt hat.
Was für ein Trugschluss! Ägypten ist heute mehr denn je eine der führenden Kulturnationen am Unterlauf des Nils. Wo Cheops Vierzimmerpyramiden bauen ließ, voll unterkellert, mit Küche, Bad und Gästeklosett sowie Carport für den Streitwagen, wo Esnu in der Zweifamilienmastaba mit Heimsauna und Dachterrasse beigesetzt werden wollte, da finden sich heute allenthalben am Straßenrand die anmutigsten, kunstvoll aufgeschichteten Müllpyramiden, Grabstätten für so manchen abgenagten Hähnchenschenkel.
Wo Echnaton weiland als weltweit erster Herrscher den Monotheismus propagierte und Gott Aton anbetete, da haben die Ägypter von heute längst Gott Mammon zum Nachfolger Atons erkoren und die Dreifaltigkeit von Handel, Basar und Beschiss geprägt.
Schon die Anreise mit Egypt Air ist ein Vergnügen. Wo sonst hat man die Gelegenheit, in Maschinen zu fliegen, deren Alter das eigene Lebensalter an Jahren lässig übertrifft? Wo sonst steht die Maschine bei jedem Flug nach dem Boarding noch 30 Minuten untätig am Gate, bevor sie sich endlich zur Rollbahn bewegt?
Wo sonst spielen die Passagiere bei jedem boarding trotz deutlich antisemitischer Einstellung eine Reise nach Jerusalem bis eine Sitzordnung gefunden ist, bei der jeder der mitreisenden Männer sämtliche seiner Frauen und Kinder richtig im Blick und unter der Fuchtel hat?
Oder das Vergnügen einer Nilkreuzfahrt! Nicht ohne Grund hatte das Gesundheitsamt Frankfurt am Main die dazu eingesetzten Schiffe auf unsere unverbindliche Anfrage vor Abflug als Durchfalldampfer bezeichnet und nachdrücklich auf die Notwendigkeit hingewiesen, reichlich Immodium im Reisegepäck mit zu führen. Denn so sehr sich Stanley und Livingstone einst im Dienste ihrer Majestät eingesetzt hatten, um die Quellen des Nils zu finden, wird sich doch jeder Kreuzfahrer schon nach kurzer Zeit und einmaligem Genuss der Bordverpflegung dieser Schiffe selbst als eine der eifrig sprudelnden Quellen fühlen dürfen.
Und dann erst der fast obligatorische Abstecher zum Tauchen am Roten Meer! Gut, man wird inzwischen zweckmäßiger vom toten Meer sprechen. Nachdem die Touristen zu Andenkenzwecken fröhlich die Korallen abgeholzt haben, Kläranlagen nicht existieren und die Colibakterien sich angesichts der reichlich fließenden Gülleströme wie Faust in Auerbachs Keller fühlen dürfen. Außer der Familie Coli lebt da nicht mehr viel im Salzwasser.
Ich sage nur Hurghada! Oder Hur-ghada, denn die erste Silbe des Namens dieses "beliebten Ferienortes" (TUI) deutet schon an, dass man dort ein Publikum antrifft, dessen weiblicher Teil von den Damen aus der Hamburger Herbertstraße oder dem Frankfurter Bahnhofsviertel mit bloßem Auge nicht zu unterscheiden ist und auch deren Berufskleidung trägt. Die Damen scheinen ihre leitenden Angestellten gleich mitgebracht zu haben, wer in Hurghada als Mann ohne große Tattoos auf Schulterblättern und Oberarmen unterwegs ist, fällt auf und wird als Schwuchtel diskriminiert. Erst recht, wenn die Panzerkette am Arm fehlt. Lobend hervorzuheben ist dagegen die Einstellung des Ägypters zu den Frauen. Sie dürfen nichts, haben den Mund zu halten und dekorativ zu sein. Wenn man eine leid ist oder sie das Verfallsdatum erreicht hat, heiratet man einfach noch ein paar dazu. Steht so im Koran. Über den man in Ägypten insgesamt viel lernt, da die Einheimischen gerne erzählen, dass der Islam auf fünf Säulen ruhe: Glauben, Almosen, Beten, Fasten und Wallfahrten nach Mekka. Nach der persönlichen Erfahrung des Autors sind allerdings daneben auch die fünf B ins Kalkül zu ziehen: Betteln, Bakschisch, Betrügen, Bigamie und Byramiden. Sowie natürlich das elfte ägyptische Gebot: Du sollst feilschen! Und zwar auf dem Basar!
Da dieser Bericht neben evidenten aufklärerischen und bildungspolitischen sowie kulturkritischen Anliegen auch den Anspruch hat, praktische Lebenshilfe zu leisten, sollen im folgenden Basarleitfaden kurz die wichtigsten Regeln für erfolgreiche Verhandlungen dargestellt werden. Wichtig ist zunächst festzuhalten: Basar ist überall, wo ein Ägypter und ein Tourist zusammentreffen. Der Ägypter wird unweigerlich versuchen, dem Touristen etwas aufzudrängen und dafür ein überhöhtes Entgelt zu verlangen. Er wird nicht locker lassen, ein "Nein" nicht als solches akzeptieren und den Touristen mit Versprechungen und dummen Sprüchen selbst in der Muttersprache des Touristen (heute alles umsonst, Neckermann machts möglich) über weite räumliche wie zeitliche Wegstrecken verfolgen. Einmal kann das ganz nett sein, ab dem zweiten Gespräch innerhalb von fünf Minuten wird es anstrengend und irgendwann braucht es eine ausgeklügelte Taktik, um sich zur Wehr zu setzen. Hier einige Anregungen, wie den verschiedenen Phänotypen zu begegnen ist.
1. Phänotyp:
Der Hier-schenke-isch-Dir-Händler. Der Händler "schenkt" einem einen wertvollen Kunstgegenstand (z.B. eine billige faustgroße Pyramidennachbildung aus Holz oder ein T-Shirt mit Pyramidenaufdruck), dreht sich kurz um, tut so als ginge er weg, kommt dann zurück, bietet weitere Gegenstände zum Kauf an und verlangt bei Ablehnung dieser Kaufangebote die Pyramide oder das T-Shirt wegen Undanks zurück. Gegenstrategie: Man führe immer eine ausreichende Anzahl von billigen Nachbildungen des Kölner Doms mit sich, die man als Gegengeschenk dem verdutzten Händler in die Hand drücken kann. Damit kann der Händler nach ägyptischem Ehrenkodex sein Geschenk nicht mehr zurück fordern. Er wird so überrumpelt sein, dass es zu keinen weiteren Belästigungen kommt. Nebeneffekt: Man kommt billig an Souvenirs, Kölner Dome gibt es im Großhandel schon für um die 30 Eurocent.
2. Phänotyp:
Der Freund, der nur das Gespräch sucht. Der Händler tut zunächst so als sei er an einem Geschäft nicht interessiert, sondern wolle er nur freundlich reden. Schon ein "guten Tag“ zu erwidern kann ein fataler Fehler sein, der Händler wird sich ermutigt fühlen und einen für den Rest des Tages mit freundlichen Kaufangeboten begleiten. Frauen werden gerne mit "Hello, Claudia Schiffer, wie geht es Dir?" angesprochen, Männer dagegen mit "Hi, Rambo!" Häufigster "Einsteiger“ ist ein lässiges "where do you come from?“ Gegenstrategie: Mit "Kölle“ anworten. Die Zusatzfrage "Deutschland?“ ist dann mit "no, Kölle" zu beantworten. Das Ergebnis ist komplette Verwirrung, da ein Staat namens Kölle in Ägypten unbekannt ist. Die Frage "whats your name“ kann alternativ mit "Ralf-Ruprecht von Ihering zu Bialystock", "Ramses II.“ oder "David Copperfield" beantwortet werden, letzteres hat den Vorzug, dass Verkaufsgespräche mit dem Hinweis "ich muss gehen, Claudia Schiffer wartet da vorne auf mich" abgebrochen werden können.
3. Phänotyp:
Der Hartnäckige. In Einzelfällen kann es sein, dass auch das Gegengeschenk oder die Herkunft aus Kölle oder Bialystock nicht ausreichen wird, die Händler zur Aufgabe zu bringen. In diesen Fällen hilft nur noch das Grausamste, was Deutschland nach Verzicht auf A, B und C-Waffen noch zu bieten hat: der Kölner Karneval! Jeder weitere Vortrag des Händlers, etwa "nur schaue, nisch kaufe" oder "heute kaufe, morgen zahle" oder "habe isch noch viel schöner im Geschäft, Du kommen schaue?" muss entschieden mit "Mer losse dr Dom en Kölle" beantwortet werden, ggf. auf weitere Belästigungen ergänzt um die zweite bis vierte Zeile "denn do jehöt err hin, watt sull dää dann wo-ann- dahs, ett hätt doch kejne Sinn." Spätestens ab Zeile vier wird der Händler seinen Gegenüber für schwachsinnig halten und mit allem Respekt, den Ägypter gegenüber Geistesgestörten an den Tag zu legen pflegen, auf weitere Belästigungen verzichten.
4. Phänotyp:
Der Taxifahrer. Taxifahrer gibt es in Ägypten wie Sand am roten Meer oder Diarrhoe auf dem Nilschiff. Kein Taxifahrer wird es fertig bringen, an einem potenziellen Kunden vorbeizufahren, ohne diesen anzuhupen und ihn zu fragen "Taxi?". Auch wenn man schon einen Kilometer vom nächsten Tempel, Hotel oder Geschäft entfernt ist und der Taxifahrer davon ausgehen muss, dass einem bereits vierhundert seiner Kollegen erfolglos dieselbe Frage gestellt haben, wird ihn das nicht von einer Wiederholung abhalten, man könnte ja in den letzten 30 Sekunden seine Meinung geändert haben. Logisch, amüsant aber taktisch falsch war die Antwort, die eine Engländerin in Luxor gab: "If I wanted to take a taxi, I would already be sitting in one". Viel zu logisch. Richtig antwortet man auf das "Taxi?!" lediglich "angenehm, Igel!" Das wird unseren ägyptischen Freund aus dem Personenbeförderungsgewerbe lange genug beschäftigen, um sich in der Zwischenzeit bequem aus der Rufweite zu begeben.
5. Phänotyp:
Der schlichte Bettler. Das Vokabular des Bettlers wird in der Regel nur zwei Worte umfassen. Das ägyptische "Bakschisch" und das deutsche "Kugelschreiber". Jeweils ergänzt um drei deutlich vernehmbar mitgesprochenen Ausrufezeichen. Zynische aber wirkungsvolle Antwort: dem Bettler die hohle Hand hinhalten und "Bakschisch!!!" verlangen, wo er nach "Kugelschreiber" gefragt hatte bzw. umgekehrt. Was die Kameraden eigentlich mit den Kugelschreibern wollen, ist unklar - schreiben können sie sicher nicht.