Der Scheff ist ja eigentlich gar nicht der Scheff. Eigentlich ist ja der Metzger der Scheff vom Scheff. Obwohl der Scheff ja dann irgendwie auch wieder der Scheff vom Metzger ist, also doch der Scheff. Allerdings gibt es beim Scheff zuhause auch noch die Scheffin, die ja nun definitiv der Scheff vom Scheff ist, schon allein weil sie aufpasst, dass der Bruder vom Scheff, der nicht gerade dazu neigt, sein Licht unter den Scheffel zu stellen, sich nicht zum Scheff vom Scheff aufschwingt und allein das Geld scheffelt.
Wie dem auch sei, unabhängig davon, wie sehr der Scheff eigentlich Scheff ist, von Mitarbeitermotivation versteht er was. So hat er nicht nur an den Geburtstag seines Weinigels gedacht, sondern sogar, weil es ein halbrunder Geburtstag war, dem Weinigel als Dauer-Mitarbeiter des Monats ein großzügiges Champagnerdinner gegeben. Da hat der Scheff dann sogleich bewiesen, dass er zumindest Chef ist, also Chef de Cuisine. Es wird nicht viele Privathaushalte geben, in denen man mit solcher Selbstverständlichkeit auf Höchstniveau speist wie beim Scheff! Hier nur ein Beispiel:
Aber ich bin ja hier nicht der Gourmetigel, ich bin ja der Weinigel. Steht so in meinem Arbeitsvertrag mit dem Scheff. Deswegen schreibe ich, auch wenn's schwerfällt, nicht über die köstliche Küche, sondern über einige der Champagner, die es dazu gab. Es begann mit einem Taittinger Grands Crus Prelude Brut
(Cuvée zum Jahr 2000). Die Nase kommt zunächst ein wenig schweflig, phosphorig daher, wirkt auch schon reichlich ältlich. Kein Wunder, bei einem Champagner, der bereits vor mehr als 12 Jahren degorgiert worden ist. Doch, oh Wunder, mit mehr Lungenatmung im Glas ziehen sich die chemischen Elemente wieder ins Periodensystem zurück und machen Platz für briochige, brotige Reifetöne. Gar nicht einmal schlecht!
Am Gaumen sogar noch mit kreidigen Tönen unterwegs, dann auch hier die Brioche, recht schöne Fülle, haselnussige Einschläge, relativ dicht.
Gute Länge, im Abgang fein und cremig, dort bleibt vor allem die Nuss schön stehen. Dazu natürlich auch leichte Alterstöne, dann und wann auch wieder ein kleiner Tupfer Schwefel und etwas oxidativer Chardonnay. Aber noch sehr am Beginn des Abstiegs hinter dem Zenit, den er gerade erst verlassen haben dürfte. Eine schöne Überraschung für einen so gereiften Champagner. 87 von 100 Willipunkten.
Als nächstes köpfte der Scheff einen Agrapart Grand Cru Terroirs Extra Brut. Gerade einmal mit 5 Gramm Dosage unterwegs, das Zeugs, ein reiner Blanc de Blancs, aus Lagen in Avize, Oger, Cramant und Diry. Nicht als Jahrgangschampagner deklariert, doch nach Auskunft des Winzers komplett aus Lesegut von 2005. Und was eine herrliche Nase, sehr briochig-hefig mit viel nussigem Chardonnay. Dazu birnige Frucht und ein dezenter mineralisch kreidiger Einschlag. Ein wahres Nasenwunder! Am Gaumen ganz feine Perlage. Wirkt dadurch extrem cremig, feine Nussaromen, auch mit einer gewissen Salzigkeit am Start. Sehr elegant, spielt mit den Geschmacksknospen wie der Erlkönig mit dem Kind. Oder wie die Nixe mit Goethes Fischer - halb zog sie ihn, halb sank er hin - und dann erliegt man dem Agrapart vollständig, da ist nix zu machen. Fast zärtlich gibt er sich, leichtfüßig, dann wieder kantig und eckig, das ist kein Wonneproppen, dafür fehlt ihm wie so vielen Extra Bruts die Opulenz und der Überschwang, eher ein Charakterschädel. Aber einer mit überraschend viel Nachdruck im Abgang, wo er erst so richtig zeigt, was er kann. Da steht dann vor allem die Nuss minutenlang zwischen den Rachenmandeln herum und will sich partout nicht verabschieden. Viel Profil und sehr individuell. 92 von 100 Willipunkten.
Auch an diesem Abend gönnten wir ihn uns wieder, den Jahrgangs-Grand Cru von Egly Ouriet, diesmal sogar zwei davon. Erst den 2002-er, den ich in dieser liebenswerten kleinen Kolumne vor einigen Wochen schon beschrieben hatte.
Placomusophilie ist ebenfalls französisch und laut Babelfish-Übersetzung "Der Akt des Sammelns Platten Drahtkäfig. Der Kollektor ist der Placomusophile". Hier der Satz im Original: "La placomusophilie est le fait de collectionner les plaques de muselet. Le collectionneur est le placomusophile." Also auf gut deutsch gesagt einer, dem bei Verkostungen sämtliche Champagnerdeckel in die Hosentasche fallen.
Deswegen lasse ich ihn heute hier mal weg, mit dem verstohlenen Hinweis, dass er erneut ganz großartig war. Danach gab es dann auch noch den 1996-er Brut Grand Cru. 97 Monate musste der arme Kerl erst einmal auf der Hefe darauf warten, dass er endlich Schlachtreife erreicht. Also im Juli 2005 degorgiert. Dann noch einmal quälend lange sieben Jahre im Keller vom Scheff, ehe er jetzt endlich seiner Bestimmung zugeführt werden konnte. Schon mit recht kräftigen Reifenoten in der Nase, aber auch noch immer mit feinen toastig-hefigen Noten ausgestattet, ein Hauch reife Walnuss dazu, ein kreidiges Fundament, das wirkt alles sehr vielversprechend. Am Gaumen vorn vor allem die Reifetöne, nussig, seeehr cremig ist der Kamerad unterwegs, mit feiner Perlage. Dann fällt er zwei Millisekunden in ein winziges Löchlein, wirklich ein winziges, gegen das die Schlaglöcher der Bonner Straßen wie das Nördlinger Ries wirken.
Diese Kunstpause erhöht noch die Spannung, und wie in der Sinfonie mit dem Paukenschlag schlägt er dann sogleich wieder zu, mit nussig-reifem Chardonnay, Blütendüften, einem Hauch reifer Birne, getoastetem Brioche und immer wieder diesen dichten Hasel- und Walnusstönen.
Eine ebenfalls bei Verkostungen häufig anzutreffende Unterart des Placomusophilen: Der Bouchonophile
Wunderbar harmonisch, dabei sehr druckvoll, viel Kraft, bis in den sehr langen Abgang hinein. Und mit etwas mehr Luft füllt sich das Löchlein in der Mitte fast vollständig, da stellt sich sogar richtige Größe ein. Wow, was für ein Tropfen! 95 bis 96 von 100 Willipunkten.
Auf einem Wein kann man nicht stehen, der Scheff grub sofort die nächste Bouteille aus seinem Keller aus, den 1990-er Comtes de Champagne von Taittinger. Degorgiert etwa 1995, so dass wir recht gespannt waren, wie der Tropfen die siebzehn Jahre in der Flasche wohl verkraften haben mochte. Es ließ sich gut an: Perfekte Champagnernase, toastige Noten ohne Ende, viel Druck im Riechkolben, noch immer erstaunlich frisch! Walnussig, gut angetoasteter Hefezopf, das geht bis hin zum Karamelligen und zum Mokkasahnetoffee.
Am Gaumen ein großer Champagner in Hochform. Cremig, briochig, nussig, auch hier mit dem Hauch Karamell und dem Sahnetoffee. Runder, harmonischer, perfekter balanciert geht Champagner wohl kaum - nur druckvoller, ein Kraftprotz ist er nicht. Sehr feine Perlage, recht nachhaltig mit viel Nuss im wunderbar langen Abgang. 94 von 100 Willipunkten.
Einen Grand Cru hatten wir noch, den Roederer Cristal 2000. Sehr hefige Nase. Hinter der Hefe birnige Frucht, unfassbar viel davon, das nimmt ja gar kein Ende. Kreidige Noten gesellen sich hinzu, auch ein leichtes Lüftchen von Phosphor. Mit mehr Luft kommt eine ganz zarte, hochelegante Nussnote stärker in den Vordergrund. Am Gaumen schöne Cremigkeit, noch sehr jung, etwas aggressive Perlage, braucht noch ein paar Jahre Zeit, obwohl die Perlen im Glas wunderbar fein sind und gar nicht so rustikel aussehen, wie sie in der Textur am Gaumen herüberkommen.
Kommt mit Luft noch ein ganzes Stück aus der Reserve, bleibt aber eine Spur unrund und aggressiv. Derzeit nur so an die 91 von 100 Willipunkten, kann aber mit mehr Reife sicher noch einen, vielleicht auch zwei Willipunkte zulegen. Mehr würde mich wundern, es scheint mit nicht der allerstärkste Cristal-Jahrgang zu sein.
Eher mittelprächtig erschien mir zwischendrin der 2005-er Brut Nature Pur Meunier von Eugene Prudhomme, den wir uns ebenfalls zu Gemüte geführt hatten.
Wie so oft bei undosierten Champagnern war die Nase recht verhalten, ziemlich schlank, leicht nussig. Auch am Gaumen sehr trocken und puristisch, schlank, nicht sonderlich viel Ausdruck, erst ganz hinten mit mehr Druck und Anspruch unterwegs.
Mit mehr Luft wird das besser. Da stellt sich im Anklang etwas ein, das man mit viel Wohlwollen sogar Saftigkeit nennen könnte. Dann kommt ein kleines Loch, dann eine schöne, feine Nussigkeit. 84 von 100 Willipunkten.
Den Mantel des Schweigens breiten wir über den Reflet d'Antan von Bérêche et Fils. Teilweise im Barrique ausgebaut (WARUM???), mit malolaktischer Gärung im Barrique und mit nur 7 Gramm Restzucker gefüllt.
Irgendwie habe ich mich gefragt, ob die Bérêches eigentlich Spechte züchten.
So wie es bei denen hacken muss, dass sie so was auf Flaschen füllen. 73 von 100 Willipunkten.
Aber das war auch der einzige echte Ausrutscher nach unten in einer ansonsten denkwürdigen Champagner-verkostung.
Die ihrerseits wiederum nur wenig hinter der sternewürdigen Küche des Scheffs/Chefs zurückblieb. Am Ende galt dann der alte Spruch: