Opulent dekoriert, mit Marmorkaminen, dicken Kristalllüstern, schweren Teppichen, edlem Mosaikfußboden und Wandmalereien aus der Zeit des anderthalbsten Empires. Nur die Stühle sind moderner und durchbrechen die Museumsatmosphäre ein wenig. Das gilt auch für die Sitzgelegenheiten auf dem Abort - die Klobrillen sind beheizt. Bestimmt sehr angenehm, falls man mal davorknien muss, austerntechnisch bedingt.
Der Service schafft es, der Feierlichkeit des Rahmens zu entsprechen und gleichzeitig trotzdem fast herzlich auf die Gäste einzugehen. Hohe Kunst! Inzwischen wird auch wieder ein günstiges Mittagsmenü zu 130 Euro angeboten. Nachdem Saintagne vor drei Jahren mittags wie abends nur ein einziges Menü vorgeschlagen hatte, 380 Euro für drei halbe Gänge, Käse und Dessert. Schon sportlich für einen Zweisterner. Die Weinkarte ist nach wie vor exzellent sortiert. Wie fast überall in der Pariser Spitzengastronomie sind die Bordeaux viel zu teuer, diese unerträglichen Koeffizienten sollten gesetzlich verboten werden.
Daneben aber viele gute Sachen, darunter einige gut ausgesuchte Kostbarkeiten aus der zweiten Reihe. Und, keineswegs üblich in der Pariser Spitzengastronomie, die Koeffizienten auf den Champagnern sind größtenteils fair. Also lasse ich erst einmal ein Glas von der 2004er Pol Roger Spezialabfüllung für Ducasse in den Igelmagen hinab. Und zum Menü gibts einen 2007er Terrasses de l´Empire von Vernay, superber Condrieu, perfekt gereift. Einer der wenigen Viogniers, die auch mal zehn Jahre altern können.
In der Abteilung feste Nahrung eröffnet ein Amuse von Räuchermakrele in Mandelkeks die Festspiele. Hauchfeine Tuile, etwas oranger Kaviar dazu, ein Hauch Algen und mitten drin ein Stückchen Fisch.
Mir als Nichtraucher wirkt das erst etwas zu räuchrig. Aber, Sackzement, das Spiel von Süße der Tuile und jodiger Salzigkeit von Fisch und Algen funktioniert perfekt.
Und dann schaltet hinten heraus noch der Kaviar-Turbo zu, noch eine Fischkomponente, noch salziger und mit etwas Zitrone angefruchtet, dezent aber nachdrücklich.
Das schiebt den Rauch aus dem Bild in die Kulisse und gibt den Blick frei auf ein stimmiges pointillistisches Meisterstückchen.
Es folgt ein Gemüse"fondue". Einfach nur gedämpfte Gemüsestückchen, allesamt natürlich in absoluter Topqualität und so schonend gegart, dass ihre Aromen optimal erhalten blieben. Dazu eine leichte Sauerampfersauce. Damit der Ampfer nicht zu sauer wirkt, hat die Küche hier mit Sahne, etwas Weißwein und, so vermute ich, etwas Fonds vom Kalb oder Huhn nachgeholfen.
Ergibt insgesamt eine wunderbar leichte, cremige Begleitung für die Möhren, Kohlrabi, Artischockenherzen etc. Unglaublich simpel aber ein echter Hochgenuss. Hier über Sterne zu reden ist schwer, weil das so einfach wirkt.
Die Kunst besteht in der Auswahl perfekter Zutaten und im Garen genau auf den Punkt. Den leichten Rauchton, den man irgendwie auch hier wieder an die Sauce gebracht hat, hätte es für mich gar nicht unbedingt gebraucht, der Rest war schlicht perfekt.
Nicht ganz überzeugt hat mich die in Zucker und Salz marinierte Daurade, die kalt serviert wurde, mit einer Deklination von roter Beete und Creme Normande. Nur mit Zucker und Salz funktioniert der Fisch nicht optimal, das bleibt eher unaufregend.
Auch die Betteraven geben dem kalten Fisch nicht genug Kick. So kratzt man auf dem Teller mühsam das leicht zitronierte Olivenöl und die Creme Fraiche zusammen, um ein paar zusätzliche PS zu mobilisieren. Hier waren wir sicher nicht in der Dreisterneabteilung, zwei vielleicht, mit Wohlwollen.
Auf ähnlichem Niveau der Käsegang. Ein exzellenter, mittelfrischer Ziegenkäse an grünem Salat.
Das Dressing dazu mit einer Art Geflügelessenz, phänomenal. Auch das mit ein paar Stückchen schwarzer Oliven durchsetzte Feigenbrot passte ganz exzellent dazu, brachte ein subtiles Spiel von Süße, Schärfe und Würze an den Gaumen, das perfekt mit den leicht ziegigen Käsenoten und der Süßlichkeit das halbfrischen Chevre spielte.
Will ich was mäkeln? Nein, eigentlich nicht.
Deswegen freue ich mich am sagenhaften Tomatenconcassé, obwohl es separat gegessen werden muss, weil der fromme Wunsch der Küche nicht aufgeht, es möge doch mit dem Käse harmonieren.
Erschlagen hätte es ihn. Separat kommt es aber ganz wunderbar. Ein zusätzlicher Gang, aufpreisfrei!
Das Dessert bestand aus Feigen mit Lavendelhonig in einem Nest von getrockneten Feigenblättern. Letzteres war eher hinderlich beim Zerlegen der Früchte.
Auch habe ich nicht ganz verstanden, warum man mir noch einen Löffel Creme Fraiche über die Feigen geben wollte. Ich habe es mal huldvoll erlaubt, auch wenn es geschmacklich eher sinnfrei blieb. Aaaaaber - die Feigen harmonierten sensationell mit dem Honig.
Was am kräftigen Eigengeschmack der Früchte lag. Und daran, dass man aus diesem Honig tatsächlich Lavendel herausschmecken konnte, so dass die Süße der vollreifen Früchte mit dem leicht seifig-floralen Touch des Lavendels einen Counterpart zur Seite bekam, an dem sie sich bestens nach oben ziehen konnte.
Eher so als Nebensache nebendran gestellt war der Star des Mittags, ein Mandeleis mit Rotweingranité. Extrem feines Eis, das mal vorweg. Und die Hochzeit mit dem Granité, da stand die gesamte Bischofskonferenz am Altar, so feierlich war die. Volle Punktzahl für dieses Wunderwerk, besser geht das nicht.
Auch ein paar Mandelhippen mit Pinienkernen und Pekanüssen gab es noch. Das schien mir fast zu fettig, passte aber perfekt zum zweiten Dessert.
Drei Sorbets: Feige, Grapefruit und eine Passionsfrucht, die das Wort Passion zur recht im Namen führte. Das könnte sofort meine Passion werden, das Zeug hat Suchtcharakter. Auch die Grapefruit war Weltklasse, nur die Feige nicht ganz auf dieser Höhe.
Nachdem ich meinen Condrieu über das Menü hinweg immer wieder in höchsten Tönen gelobt hatte - mit Recht, denn er passte zu allem mindestens sehr gut, meistens sogar perfekt - reichte der Sommelier mir zu den Desserts wortlos ein Gläschen 2010er Condrieu Les Ayguets von Cuilleron.
Botrytisch und mandelig, passte perfekt, zumal er jahrgangsbedingt ziemlich viel Säure mitbrachte. Stand irgendwo zwischen gutem Sauternes, botrytischem Riesling und rosinigem Sherry - und war doch Condrieu, eindeutig. Sehr nette Geste, besten Dank!!
Zum Abschied reicht der Maitre mir noch ein Schächtelchen mit 12 Pralinen aus der Ducasse Schokoladenmanufaktur. Eher à emporter als zum Verzehr im Lokal - denn an dieser Stelle wird kaum einer der Gäste noch 12 Pralinen futtern können oder wollen. Auch dies aber eine großzügige Geste. Zumal die Pralinen exzellent waren.
Fazit: Insgesamt hat mich die Küche sehr überzeugt. Mir wäre das jederzeit auch den dritten Stern wert und so ganz verstehe ich nicht, warum der Michelin Herrn Ducasse im Plaza den dritten Stern gelassen und ihn im Meurice auf zwei "Macarons" zusammengestrichen hat.
Umgekehrt wäre es plausibler. 130 Euro für dieses Mittagsmenü sind für Pariser Verhältnisse recht günstig. und der Condrieu schlug mit lediglich weiteren 90 zu Buche. Schnäppchen!
Für meine persönlichen Top 5 in Paris reicht es trotzdem nicht mehr ganz, da sind nach dem Weggang von Yannick Alleno und dem Übergang zu Ducasse andere am Meurice vorbeigezogen.
Aber auch im heimischen Schwarzwald kann man durchaus lecker essen. Mehr dazu im
39. Etappenbericht .