Nach Australien kommt selbst ein so polyglotter Weinigel wie ich nicht alle Tage, deswegen war ich ganz dankbar, dass ich diesen Wikinger nicht selbst über verschiedene große Teiche schleppen musste, sondern ihn beim Weinhändler meines Vertrauens schon fertig importiert in die Pfoten bekommen habe.
Ich hatte es ja gelegentlich an dieser Stelle erwähnt - an sich ist das Zeug aus der neuen Welt not my cup of wine. Schon mein Großvater, der selige Gauillaume Herisson, hat das ganz klar erkannt und mir von klein auf zusammen mit dem an Stelle von Muttermilch verabreichten Beaujolais eingetrichtert: "Wenn der Herrgott gewollt hätte, dass man Weine aus der neuen Welt trinkt, warum hätte er uns dann Bordeaux und Burgund gegeben?"
So alle halbe Jahre brauche ich dann aber doch irgendwie mal einen echten Australier. So ähnlich wie mancher Gourmet einmal im Jahr mit dicker Hornbrille und Perücke getarnt zum Schotten geht, um sich einen Burger - und in besonders schweren Fällen auch noch einen McFlurry - reinzuziehen. So gibt es bei mir eben im Eukalyptus ausgebaute Trinkmarmelade. Oder manchmal, wenn Bacchus es besonders gut mit mir meint, auch erstaunlich elegante Tröpfchen, die dem Klischee vom Känguruwein so gar nicht entsprechen wollen. Muss gar nicht immer der Grange sein, auch der eine oder andere kleinere Bruder der alten Scheune weiß zu überzeugen.
Nun fand sich also ein australischer Wikinger auf meiner Hebebühne. Wie das kulturell zusammengehen soll? Mit dem IKEA-Imbus ging der Korken jedenfalls nicht raus. Als ich ihn dann doch draußen hatte, verbreitete sich gleich eine kraftvolle, teerig-eukalyptische Nase im Raum. Holzvanille, ein Anflug von Rumtopf. Schon mit ganz kurzer Belüftung kommen würzige Noten hinzu. Dörrfleisch vor allem und etwas Thymian, recht interessant und zumindest ein klein wenig ab vom Klischeeaustralier.
Am Gaumen zunächst auch die Ami-Eiche und viel Toasting im Anklang. Dahinter massive und leicht kompottige Fruchtsüße, Brombeere, Pflaume, man könnte statt des Wikinger-Imbus auch einen langstieligen Marmeladenlöffel an die Flasche binden.
Sicherlich erst einmal nicht der eleganteste Wein. Aber viel, viel Druck am Gaumen und sehr langer, wenn auch etwas eindimensionaler, extrem kräftiger Abgang. Kurz gesagt, auf den ersten Blick ein recht typischer australischer Syrah. Allerdings einer der hinten schon ein ganz klein wenig mürbe wird, die Frucht am Gaumen wandelt sich mit kurzer Belüftung erstaunlich schnell vom Schwarzroten ins Orange. Er ist eher schon in der zweiten Hälfte seines Genusshöhepunkts und sollte wohl nicht mehr allzu lange im Keller liegen bleiben. Und das ist leider das Dilemma mit so vielen Australiern. Das Fassholz dominiert vorne noch, während sie hinten schon ganz langsam anfangen, tertiäre Aromen auszubilden und den Höhepunkt zu verlassen.
Beim Grand Shiraz ist dieses Phänomen aber nur sehr eingeschränkt zu beobachten. Das Holz ist zwar noch da, aber schon sehr fein eingebunden. Außerdem entlockt die Luft ihm auch eine erfrischende Mineralität, die dem Wein zusätzlich zu Frucht und Holz noch eine weitere Dimension verleiht und ihn interessanter macht. Das mag auch daran liegen, dass die für einen australischen Syrah fast schon bescheidenen 13,5 Prozent Alkohol ihm den Spielraum für solche Finessen eröffnen. Ein Prozent mehr und er würde vielleicht ins Plumpe, Marmeladige abkippen. Genau das tut unser Wikinger aber nicht. So ist es ein feiner, druckvoller, recht balancierter, dichter und nachdrücklicher Syrah der besseren und erfreulicheren Sorte. Auch wenn eine Spur weniger Holz ihn wohl noch vielschichtiger hätte werden lassen können. Nichts, was mich auf die Dauer vom Bordeaux abbringen könnte, Opa Guillaume wäre entsetzt, aber doch ein Neuweltler von Interesse und mit Stil. 88 von 100 Willipunkten.
Und manchmal, aber mehr als einmal im Jahr süffelt der Igel den Wein auch literweise, wie z.B. den 2009-er Künstler Riesling QbA trocken, der als nächstes auf der Hebebühne landete.