Güdn Dooch
Willi Igel in der DDR

Es war ja wirklich nicht alles schlecht im "ehemaligen Osten". Vor allem die historische Bausubstanz, die allerdings völlig marode und heruntergekommen war. Dank westdeutscher Entwicklungshilfegelder erstrahlen viele Gebäude nun aber wieder in neuem Glanz. Auch ein neues Mahnmal ist zwischenzeitlich entstanden, das praktischerweise sowohl an den Holocaust als auch die entsetzlichen ostdeutschen Plattenbauten erinnert.


Die BILD-Zeitung hat es über Jahrzehnte durchgezogen. Um der Ostzone die dort postulierte Eigenstaatlichkeit abzusprechen und die Fiktion  des unteilbaren Deutschlands auch während der deutschen Teilung aufrecht zu erhalten, wurde zunächst konsequent nur von der  sogenannten "Deutschen Demokratischen Republik" oder von der "sogenannten DDR" geschrieben. Später wurde das verkürzt und man  pinselte einfach nur Anführungszeichen um die drei Buchstaben DDR. Auch um dezent darauf hinzuweisen, dass es sich weder um eine  Demokratie noch um eine echte Republik handelte. Eine tapfere Geste, die mit der Sturheit durchgehalten wurde, die man von solchen  politischen Überzeugungstätern wie Springer gegenüber einer linken Diktatur erwarten durfte.


Was die BILD ein paar Jahre später versäumt hat, war, nach der Wiedervereinigung mit der neuen Entwicklung Schritt zu halten. Da sprach  man dann nämlich allenthalben von der ehemaligen DDR. Und die BLÖD hat es leider vergessen, ihre Anführungszeichen nun um das Wort  "ehemalige" zu setzen. Denn, machen wir uns nichts vor, das Experiment Wiedervereinigung kann nach rund drei Jahrzehnten getrost als gescheitert betrachtet werden.

Der Brandenburger Tor

Ich willi hier rein!

Aber hier zwingt mich keiner rein!

Semper idem, semper fidelis

Faktisch leben wir in zwei Staaten. Es gibt nicht nur die Mauer in den Köpfen, man kann getrost auch von einer Mauer in den Töpfen sprechen. Was jeder Westdeutsche schmerzlich bestätigen wird, der einmal versucht hat, sich länger als zwei Tage zum Beispiel von der thüringischen Küche zu ernähren, die auf raffinierten Bratwurstvariationen beruht (die Variation ist im Wesentlichen, dass es die Wurst sowohl warm als auch kalt gibt).


Schon Anfang der neunziger Jahre machte sich im Osten ein Realitätsverlust breit, der nur dadurch zu erklären ist, dass in den ostzonalen Schulen statt der Grundrechenarten lediglich Marxismus-Leninismus und das Ernst-Thälmann-Lied gelehrt wurden. Nachdem sich die Zonis den komplett ungerechtfertigten Wechselkurs von DDR-Mark (Aluchip) zu Westmark und die absurd verfrühte Einführung der Westmark in der Ostmark erstritten hatten (kommt die D-Mark nicht nach hier, dann ziehen wir zu ihr“), passierte das, was jeder Volkswirtschaftsstudent im ersten Semester, ja vielleicht sogar ein Teil der FDP-Wirtschaftspolitiker hätte vorhersagen können: Da Belegschaft, Energieversorger und Zuliefererbetriebe der ostzonalen Wirtschafts“unternehmen“ plötzlich in richtigem Geld bezahlt werden mussten, stiegen die Preise für Ostprodukte rasant an. So dass ein Trabant sehr schnell teurer war als ein VW-Golf. Genauer gesagt als der doppelt so schnelle, dreimal so komfortable Golf, der noch dazu nur halb so viel Sprit verbrauchte. Die Ostprodukte waren über Nacht nicht mehr konkurrenzfähig, die Wirtschaft in den fünf neuen Elendsgebieten implodierte. Das Geschrei nach der Westmark war nichts anderes als volkswirtschaftlicher Selbstmord gewesen. Ob bei den gut zwei Dritteln der murxistisch-leninistisch verblendeten Zonis noch Hirnströme messbar waren, die schon 1995, befeuert vom Club der roten Dichter aus der volkseigenen Kaderpartei PDS, den Schluss zogen: "Der Westen hat uns platt gemacht"?


Der Westen, also die "klügeren Bevölkerungsteile" (Stoiber 2002), an deren Klugheit man zweifeln mag, wenn man in Betracht zieht, dass sie in kürzester Zeit mal eben 2 Billionen Euro in den Trümmerhaufen zwischen Elbe und Oder zu den undankbaren Abgebranntenburgern, zum Merkelburg-Vorpummel und zum Sachsen transferierten. Der Westen, also diejenigen, deren Verfassung der Osten vermittels demokratischer Abstimmungen und Wahlen vorbehaltlos beitrat offenbar in der irrigen Annahme, dass man Ostproduktivität und Ostarbeitsmoral aufrechterhalten und trotzdem den Westlebensstandard erreichen könne. Als das nicht klappte, war der Schuldige schnell ausgemacht. Der Westen lebt auf unsere Kosten!“ Wie jetzt? Nur weil nicht wöchentlich Begrüßungsgeld nachgeschossen wurde?

Women only!

 

Ein Volk, ein Reich, ein Igel.

Speer und er


So sachlich durfte man dem Ossi aber schon vor zwanzig Jahren nicht mehr kommen. Er verwies dann sofort darauf, was er alles habe durchmachen müssen, unter dem bösen Regime von Ulbricht und Honecker. Opfer kann er, der Ossi. Er hatte übrigens schon mit den Nazis nichts zu tun. Die Nazis gab es nur im Westen. Das ist in der westdeutschen Gesichtsschreibung mit ihren alternativen Fakten völlig untergegangen. Da wird ja zum Teil sogar behauptet, das dritte Reich sei aus einer so genannten "Weimarer Republik" hervorgegangen, habe seine staatsorganisatorischen Wurzeln also in Thüringen gehabt. Das ist ebenso ins Reich der Legenden zu verweisen wie die dreiste Behauptung, die Hauptstadt des Nazireiches sei nicht Nürnberg, sondern Berlin gewesen.


Nach dem Mauerbau dann schon wieder Opfer. Diesmal eines Regimes, das zwar hochgradig verbrecherisch und deswegen an allem Schuld war, zugleich aber all die tollen Sachen hervorgebracht hat, die der Westen dann nach 1990 erst mühevoll plattmachen musste. Wer das Regime im Osten eigentlich getragen hat, wird ewig ein Geheimnis bleiben. Wahrscheinlich ist ein Großteil der vom Westen spendierten 2 Billionen Euro dafür ausgegeben worden, mühsam die Stasi-Akten zu fälschen, die, wären sie echt, ja dokumentieren würden, dass es da fast so viele Täter wie Opfer gab, in dieser Ostzone. Mit 2,5 Millionen offiziellen und inoffiziellen Mitarbeitern der Staatssicherheit das ist etwa jeder sechste Bürger - hätte die DDR ja sonst den Weltrekord an aktivem Mitläufer- und Denunziantentum gesetzt. Wahrscheinlich der einzige DDR-Weltrekord, der ganz ohne Doping möglich war.


Ja, der Ossi war Opfer. Ich erinnere mich noch, wie sich der Grenzsoldat bei meinem ersten Besuch im späteren Beitrittsgebiet 1984 regelrecht zwingen musste, die westdeutschen Touristen wie Dreck zu behandeln. Er hatte das aber gut im Griff, hätte man nicht gewusst, dass er Opfer ist, hätte man auf die Idee kommen können, er habe Spaß am Schikanieren und bedaure gar, gerade nicht als Mauerschütze eingeteilt zu sein.

Ein Heiligtum der Thüringer Küche ist seit jeher die Rostbratwurst

Sie wird dort als Heiligtum verehrt und in feierlichen Prozessionen über Land gefahren

Wir wollen unsere Mauer wieder haben... und zwei Meter höher!

 

Wenn dieses Opfer-Narrativ erst einmal hinreichend verinnerlicht ist, dann haben Populisten leichtes Spiel. In der Flüchtlingskrise nutzte die AfD den von der PDS liebevoll bereiteten Boden und setzte ab 2015 auf die alten Legenden einfach noch einen drauf: "Der Westen lebt nicht nur auf Eure Kosten, jetzt ist denen sogar noch der Flüchtling wichtiger als Ihr!".


Vor die Herkulesaufgabe gestellt, neben dem Westen, dem Volkswagenwerk und der sicherlich auch irgendwo in diesem bösen Westen residierenden unverständigen Bundesregierung nun auch noch die zwei bis drei Ausländer durchfüttern zu müssen, die sich etwa in das bekanntermaßen rassistische Sachsen verirrt hatten, tat der Ostler, was zu tun war. Er machte sein Hakenkreuz bei der neuen Nazipartei. Die Populisten von der jetzt als Linkspartei firmierenden SED staunten nicht schlecht und jammerten: "Seit wann haben wir denn nicht mehr das Monopol auf billigen Populismus?". Der pferdegesichtige Gaul-and wusste die Antwort: "Das tritt nach meiner Kenntnis ist das sofort, unverzüglich".


Ja, der deutsche Osten ist die einzige Region weltweit, wo die Lärmschutzwände an den Autobahnen nicht dazu dienen, die Anwohner vor dem Motorenlärm zu schützen, sondern durchreisende Touristen vor dem stetigen Gejammer der Ossis und den Hetzparolen aus der Lügenfresse eines Bernd Höcke abzuschirmen.

Doch halt! Es war nicht alles schlecht, meint der Ostler im Rückblick auf seine DDR. Und ergeht sich in Ostalgie, süffelt Rotkäppchen oder Club-Cola, futtert Hallorenkugeln und Tangermünder Nährstangen. Der Westler steht daneben und denkt sich ungläubig "Ehrlich? Es war NICHT allen schlecht?"

Hier essen Gretchen & Pletchen gerne ein teuflisch goethes Leipziger Allerlei

Im Winter empfiehlt es sich, vor dem Essen

Fäustlinge und Pudelmütze abzulegen

Bürgerhaus "Alter Schwede“ 

Die Wasserkunst, das Wahrzeichen von Wismar

Rathaus Wismar mit Igel-Star



Auf Rügen... 

...gibt es nichts zu rügen! 

Es ist schon erstaunlich, wie die menschliche Psyche funktioniert. Offenbar war das Bewusstsein, die eigene Vita in Teilen in diesem Unrechtssystem verbracht zu haben und Teil der deutschen Diktaturgeschichte gewesen zu sein, so erdrückend, dass nach der Wiedervereinigung schon nach einer kurzen Karenzzeit der Mechanismus einsetzte, selbst diesen unfreien Arbeiter- und Bauernstaat, dieses Monument an Menschenverachtung und Opportunimus zu relativieren und fast schon zu verteidigen als könne damit die eigene Lebensleistung aufgewertet werden.


Ich bin dafür, dass die Ostler mal so richtig zeigen können sollten, was sie drauf haben. Ohne Transferkohle aus dem Westen, ohne die ausländischen Arbeitskräfte aus Polen oder Rumänien für die niederen Dienstleistungen, ohne Strukturfondsmittel aus Brüssel. Das alles macht den Osten platt. Lassen wir ihn sich entfalten. Lassen wir ihn mal ein paar Jahre für sich wirtschaften! Als eigener Staat. Der durch geeignete bauliche Vorrichtungen auch räumlich vom eigentlichen Bundesgebiet abgeteilt werden könnte.


 Bei sich kann der Ostler das Plansoll übererfüllen. Er kann wieder einführen, was damals in der DDR nicht schlecht war. Und von mir aus sogar das, was damals unter Adolf nicht schlecht war. Und natürlich das, von dem der Ostler spätestens fünf Minuten nach dem neuerlichen krachenden Scheitern seiner Versuche, einen funktionierenden Staat ohne die Aufsicht erziehungsberechtiger Nachbarvölker aufzubauen, behaupten wird, es sei ebenfalls nicht schlecht gewesen.

Ei verbibbsch, isch wolld

Baggeddbooden und kään Baggeddbooden!

Ach so, Ossis, falls das jetzt irgendwie gefühlskalt klingt oder Ihr den Eindruck bekommt, wir im Westen würden von Euch so langsam mal wieder etwas eigene Leistung erwarten, seid ganz beruhigt: Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten!


Fazit: Da muss man jetzt nicht ganz dringend hin, in diese Ostzone.Es gibt übrigens noch einen weiteren triftigen Grund für die Wiedererrichtung der Mauer: Obwohl auch der Sachse an sich gänzlich auf harte Konsonanten verzichtet, hier und da ein paar "Gonsonanden" verschluckt und "Wogahle" weich ausspricht, unterscheidet sich diese hemdüggsiche Forhohnebibbbelung der deutschen Sprache doch gänzlich von den wohlklingenden Dialekten der Franken, Rheinland-Pfälzer und Schwaben.


Der Gebrauch der sächsischen Mund-Unart geht in der Regel mit einer leicht dümmlich-erstaunten Mimik einher. Dies könnte daran liegen, dass viele Nicht-Sachsen spätestens nach dem zweiten an sie gerichteten Satz blitzartig verschwunden sind, selbst wenn sie ihn inhaltlich gar nicht verstanden haben (z.B: "Schulldchnsä, schloofn Sä ääschndlisch naggsch?").


Verbleibt der Angesprochene höflich, treten ihm spätestens nach dem dritten Satz aufgrund der akustischen Qual die Augen aus dem Kopf. Oder wie der Sachse so unschön sagt bekommt er Glubbschoochn.

Wen wundert's also, dass Sächsisch laut einer aktuellen Umfrage der unbeliebteste Dialekt in ganz Deutschland ist? 30 Prozent der befragten Bundesbürger gaben an, Sächsisch als "besonders unsympathisch" zu empfinden. Nur sieben Prozent konnten sich für das Sächsische erwärmen.


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