WGW - Willis Gourmet Werkstatt
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Vierschänkentournee Etappe 41 -
Chef's Table at Brooklyn Fare
Atmosphäre können die New Yorker Sterneköche ja fast alle nicht. Hängt auch mit den Gästen zusammen, die sich gerne mal so laut unterhalten, dass eigentlich Ohrenschützer verteilt werden müssten. Im Chef´s Table verteilt man stattdessen Rockmusik, ziemlich laut. Lenny Kravitz, zwischendrin mal Stevie Wonder, Dire Straits, immer schön mit dem Regler weit rechts.
So hat man nicht mehr das Gequake der Mitesser im Ohr, die in den USA gerne mal klingen wie die lautmalerischen Töne, die man Donald Duck in den Verfilmungen der Disney Comics unterlegt. Sondern solide Musik aus erstklassiger Kehle und Gitarre.
Dann kommt die Weinkarte. Und die hat es in sich. Schwerpunkt ist Burgund, na ja, nobody is perfect. Daneben finden sich auch einige sehr gut ausgesuchte Bordeaux, ziemlich viel von der Loire, weiterhin viele deutsche Weine, inzwischen glücklicherweise nicht nur restsüße, sondern auch ein paar große Gewächse.
Faire Koeffizienten, außer im High End bei Champagner, Burgund und Bordeaux. Glasweise wird auch ziemlich zugelangt, kaum ein Wein unter 30 Dollar. Der Igel entscheidet sich für eine Vinothekenfüllung vom Loibener Riesling aus dem Hause Knoll und dem Jahrgang 2007. 180 Dollar, na ja, Geschenke sehen anders aus, aber dieser Göttertropfen war es wert. Knoll wird noch immer fast so sehr unterschätzt wie der Apothekenpichler seit 2010 überschätzt wird.
Dann folgtdas erste Amuse: Hamachi (japanische Stachelmakrele) mit Ingwer auf einem dünnen Brandteigkeks. Ohren anlegen, das ist irre gut. Leicht scharf, vielleicht ist eine Spur Wasabi dran? Jedenfalls paaren sich fischige Noten, knusprig-salzig Aromen des Brandteigkeks' und die fruchtige Schärfe des Ingwers zu einem faszinierenden Gesamtkunstwerk. Großes Tennis!
Auf dem Niveau geht es weiter. Nein, eigentlich geht es noch eine Stufe hinauf, denn nun kommt der Seeigel. Tja, wer diese Kolumne regelmäßig liest wird in Erinnerung haben, dass ich meinem aquatischen Verwandten selten wirklich viel abgewinnen kann. Ein wenig jodig schmeckt das meist, im besten Fall nach frischem Meer, aber die Offenbarung ist es eher nicht. Hier sieht das völlig anders aus, der Meeresigel kommt aus Hokkaido (ist das weit genug weg von Fukoschima?), bringt dezente aber nachhaltige salzige Fischtöne ein, spielt auch ganz harmonisch mit dem ganz leicht angerösteten entrindeten Toast, auf dem er ruht. Aber das alles ist nur Beiwerk, denn in der Nase wie im Mund habe ich vor allem die grandiose schwarze Trüffel, die oben auf dem orangen Stacheltier liegt. Und die von Trüffelaromen unterstützt wird, die die Küche auf Brot und Seeigel geträufelt haben wird. Trüffelöl, Trüffelbutter, Trüffelessenz, man weiß es nicht, fest steht nur, dass es sich nicht um das parfümierte Zeug aus der Enzymabteilung handelt, sondern um das wahre Leben. Gigantische Komposition. Die Trüffel scheint den Seeigel lange Zeit komplett im Griff zu haben, dann erhebt der Schweinpriester im Abgang plötzlich noch einmal sein Haupt und strahl jodig-salzig in die Trüffeloperette hinein, macht die Sache noch eine Spur komplexer und besser.
Stattdessen lag obenauf ein Blättchen, zu dem die Texanerin nuschelte, es sei "kinomehle", wenn ich es mal in Lautschrift transponiere. Hinweise, was das sein mag, nimmt die Redaktion gerne entgegen, fest steht, das schmeckt nach nichts. So war der Granat eher auf Einsterne-Niveau und die erste echte Enttäuschung des Abends.
Es folgte der Sawara. Das, so sagt mir Willipedia, ist eine japanische spanische Makrele. Häh? Was denn nun? Na gut, den Fisch hat Chef Ramirez ganz leicht angedünstet, wieder so eine Sache, wo das Tier die Garutensilien nur ganz kurz und aus großer Distanz gesehen hat. Ja, der Igel kann ja gegen das Räuchern herumproleten so lange er will, natürlich brachte auch der Sawara eine leichte Rauchkomponente mit. Aber, ich ziehe den Sombrero, es war wirklich noch ein Haucherl, sooo dezent, dass es sogar mir gefällt.
Zumal einige Kräuter über das Fischlein verstreut waren, die als Turbolader dem Sawara unendlich viele Geschmacksvariationen entlockten. Diesmal stimmte auch die Säure. Ich weiß nicht genau, was die Küche gemacht hat, um die Beurre Blanc so klar zu bekommen, aber ganz unten im Teller fand sich eine fast klare Lache wunderbar cremiger, buttriger und zugleich weißweinsäuerlicher Sauce, die dem Fisch als Steigbügelhalter zum Gaumen diente und ihm noch ein paar zusätzliche Geschmacksexplosionen entlockte. Perfekte Balance zwischen den unterschiedlichen Komponenten, anders geht es nicht, dass ein Gericht so leise und gleichzeitig so komplex daher kommt.