Was war denn in diesem Sommer schon wieder alles los? Palastdurchsuchung beim Kaiser? Wegen Untreue? Ja, ist denn heut scho Weihnachtsfeier?
Und Deutschland streitet, wie man die Burkinizone richtig epiliert. Niqapitulation vor der AfD? Die ja selbst auch nicht in gutem Zustand ist. Erst die Meutherei auf der Petry. Dann der Gauland, der nicht neben Herrn Boateng wohnen mochte.
Es folgte ein dreifacher Rückwärtssalto gehöckt. Er, Gauland, habe ja gar nicht gewusst, dass der Boateng ein Schwarzer sei, er habe gedacht, das sei ein Muslim. Oder, auf gut Deutsch: Hetze gegen Schwarze hätte er verwerflich gefunden, der Herr Gauland, Hetze gegen Muslime sei aber in Ordnung. Mensch, den Gauland möchte man nicht mal geschenkt.
Aber dem geschenkten Gauland sollte man schon sehr genau aufs Maul schauen. Weil da so viel Ätzendes und Böses herauskommt, das reicht um drei radikale Parteien zu disqualifizieren.
Siggi Flop hat im Laufe des Sommers wohl trotzdem so reichlich Angst vor der AfD bekommen, dass er glatt seinen Stinkefinger von den langjährigen Probebohrungen in der Nase abgezogen und das Teil einigen Nazis zur Besichtigung hergezeigt hat.
Gepflegter Gastraum, auch wieder im Chaletstil, viel Holz, altes Mobiliar, nur die seltsame Lüftelmalerei an der Decke mit zwei Holzengelchen stört ein wenig.
Das gilt auch für die Hintergrundmusik, die einen Hauch leiser sein dürfte. Vor allem, wenn's zwischendrin mal Rap gibt, der mir dann doch nicht so ganz zur Sterneküche passen will.
Nun ja, entscheidend ist auf dem Teller. Und da kamen erst einmal drei Amuses. Eine lauwarme Blutwurstkrokette mit Granny Smith, durchaus ansprechend, auch wenn die Kombination von Apfel und Blutwurst nicht völlig neu ist. Dann ein spitzbubenartiger Keks mit etwas Marmelade und eingemachtem Geflügel, eher belanglos.
Es folgte einer der Höhepunkte des Abends, ein weiteres Amuse, die Raclette Aerienne. "Aufgeblasenes Raclette" also, so eine Art Käseschaum, mit einer Kruste von Speck und Brotkrümeln. In den Schaum waren auch noch Partikel von Silberzwiebeln und winzige Speckwürfelchen eingearbeitet. Leicht, unheimlich intensiv und perfekt zwischen den Komponenten balanciert. Großes Tennis!
Gleich noch ein Knaller, Alvertakaviar vom weißen kalifornischen Stör auf Blumenkohlschnee. Das hieß nicht nur Schnee, das war tatsächlich geeist, mit Haselnussstücken und Haselnussöl drin.
Das nussige Element bildete eine schöne Brücke zwischen dem blumigen Kohl und den auch ganz leicht nussig angehauchten Fischeiern. Etwas Limettensaft und ein Böllerchen Creme Double als klassische Kaviarbegleiter rundeten das Ganze wunderbar ab.
Nun ließ die Küche eine Renke aus dem Genfer See auf uns los. Mit einer Kruste aus knusprigen Brotkrümeln und einer exzellenten Beurre Blanc, in die etwas Savoyer Roussette-Wein eingegangen war. Eat local! Aber nicht zu sehr, deswegen wurde dazu ein Herz vom Sucrine-Salat mit Stückchen von der Kalamondinorange und etwas Speck gereicht. Eine interessante Kombination, die die Renke bestens untermalte.
Auch den nächsten Akt bestritt der Genfer See, aus dem nun Rotfußkrebse aufgefahren wurden. Mit Tagliolini und Mandeln, einem Krebsbeignet, etwas Rouille und Krebssud, dass Ganze verfeinert mit Sellerie- und Apfelwürfeln.
Sehr guter, wunderbar krebsiger Sud, dezente Rouille, die Apfelfrucht setzt dazu feine fruchtige Akzente. Insgesamt extrem fein und gut balanciert, dennoch aber ein Gericht, bei dem eine Dreisterneküche nur teilweise zeigen kann, was sie auf dem Kasten hat.
Deutlich spektakulärer dann das Kalbsbries. Ich bin erst erschrocken, weil das Bries unter einer großen Glocke voller Buchenrauch gebracht wurde, aus der oben, durch eine Art Schornstein, leicht beißender weißer Rauch aufstieg. .
Die werden hier doch nicht einen Papst gewählt haben? Ansonsten gilt, das weiß man, das ist bekannt, dass der Igel als Nichtraucher keinen Wert auf Räucherung seiner Lebensmittel legt. Dem Bries hat der Rauch aber nicht geschadet, es hat den Geschmack nicht angenommen. Im Gegenteil, es war leicht karamelisiert, was dem intensiven, klassischen Briesgeschmack eine leichte Honignote verpasste.
Dazu eine extrem konzentrierte Sauce und geschmacksintensive Kartoffelwürfelchen in hauchdünnem Speckmantel. Obenauf ein mit Luft aufgepumpter Kartoffelballon, na ja, mehr Gag als Geschmackserlebnis. Insgesamt ein sehr stimmiges Gericht, bei dem mich vor allem begeisterte, wie fein die einzelnen Aromen trotz der Intensität herausgearbeitet waren.
Drei ganze Klassen drunter dann leider der Hauptgang, Pigeon Fermier, mit Spinatextrakt und einem Ragout von Innereien auf Toast. Nun kann ich lange darüber nachdenken, ob ich den Haut Gout der Innereien einfach nicht mag oder ob das einfach nicht gut war.
Die Innereien auf Toast, obwohl mit zwei hauchdünnen Scheiben Stopfleber garniert, waren jedenfalls eigentlich nicht essbar. Die Taube selbst nur leicht haut-goutig, auf Apfel serviert, der leider nicht zum Vogel oder zur spärlich beigegebenen Sauce passte.
Vielleicht kein Zufall, dass die englische Übersetzung der Speisekarte die Hauptgerichterubrik in unfreiwilliger Komik mit "meat and offal" überschreibt?!?
Dafür waren anschließend die Käse auf dem ausufernden Käsewagen allesamt in perfektem Zustand, Tomme, Beaufort, Abondance und etliche andere, ausnahmslos aus der Region.
Als Predessert wurde ein "Birnenwasser" gereicht. Kein Schnaps, sondern wirklich Wasser, also Saft, etwas aufgeschäumt, so dass er wie Bier aussah.
Dazu einen Birnenlutscher, eine hauchdünne, getrocknete, kristalline Scheibe Birne am Stiel. Passte gut zusammen, der Saft alleine wirkte ein wenig fad, die Birne alleine zu trocken.
In der Kombination glich sich das aus. Gar nicht so harmlos wie es klingt, denn der Käse war danach komplett vom Gaumen weggeputzt, so dass die Geschmacksknospen die Desserts unbefangen umarmen konnten.
Zunächst "Milch in allen ihren Erscheinungsformen". Wieder so ein Ding, wo ich etwas Pech hatte, weil Milch jetzt subjektiv nicht ganz so meines ist. Objektiv wars aber richtig gut - Milcheis, weiße Milchschokolade, Milchmeringue, Milchcreme und Milchkonfitüre. Zum Glück mit karamelisierten Nüssen und Karamell verfeinert, sonst wären die Elemente sich allzu ähnlich und damit etwas eintönig gewesen.
Zum ganz großen Kino der Dreisternewelt fehlt mir hier aber die Interaktion unterschiedlicher Komponenten, es war eher eine technische Aufzählung, was man so alles aus Milch machen kann.
Das zweite Dessert drehte sich komplett um den Apfel.
Obenauf ein Apfelkeks mit leicht brausepulvriger Aufkrümelei, dann Apfelsahne, Apfelcrumble, Apfeleis, Apfelmus. Interessanter als es klingt, weil sehr unterschiedliche Apfelsorten zum Einsatz gekommen sind und daher durchaus Abwechslung vorhanden war. Aber wieder scheint eher technische Kunst als kompositorisches Genie am Werk.
Schwach dann die Mignardises. Ein völlig übersafranisiertes Schmalzgebackenes und dreierlei Savoyer Bisquits. Letztere bestanden aus einem recht feinen Teig, sahen aus wie Macarons, schmeckten aber deutlich neutraler. Füllt man Creme Praline Rose hinein, munden sie ganz gut, nimmt man statt dessen Orangenblütenwasser, schmeckt es etwa so wie 4711 riecht. Mit Creme von der Kalamondinorange (da war von der Renke vorhin noch etwas übrig geblieben) gehts wieder. Für mich waren diese Bisquits am Ende kein must have.
Insgesamt ein schöner Abend, wenn auch mit Abwärtstendenz zum Ende hin. Es bräuchte sicherlich gelegentlich mal einen etwas besseren Patissier, wenn man das Dreisterneniveau über den gesamten Abend halten möchte. Monsieur Meilleur hat seit einigen Jahren seinen Sohn an der Seite, der zuvor eine recht erfolgreiche Karriere in der Biathlonwelt absolviert hatte. Ich bitte, es mir hoch anzurechnen, dass ich mir trotzdem jeden Witz mit einem "Schuss" von irgendwas verkniffen habe, den man an dieses oder jenes hätte geben müssen. Dennoch - für die Taube muss die Küche einmal in die Strafrunde, für die Weinkoeffizienten ein zweites Mal. Einige der Vorspeisen fand ich grandios, das gesamte Diner irgendwo im Grenzbereich zwischen zwei und drei Sternen.
Fazit: Wir mampfen das! Der Umweg in die Bergwelt Savoyens lohnt sich, im
Flocons de Sel in Megeve isst man aber noch besser und etwas weniger weit vom "Schuss". Uuups, jetzt ist mir doch noch einer rausgerutscht.
Aber nun geht es ohne Umwege weiter zum 31. Etappenstopp.